Vor ziemlich genau einem Jahr bin ich mit meiner Harley Davidson von meiner alten Heimat in meine neue Heimat gefahren. Den Reisebericht werde ich in drei Teilen veröffentlichen. Hier also der erste Teil:
So, nun geht es endlich los: Ich fahre mit meiner Harley Davidson Softail Slim S nach Spanien. Letzte Woche habe ich die Route auf Google-Maps geplant. Es ist nicht der schnellste Weg von Reiden nach Ronda, und auch nicht der kürzeste. Ich will die Schweiz über den Jura verlassen. Dann etwas weiter westlich in Frankreich bis Clermont-Ferron. Anschliessend in südlicher Richtung via Andorra an die Spanische Mittelmeerküste. Dieser Küste möchte ich etwas folgen, bevor ich dann Richtung Westen ins Landesinnere fahre und schliesslich in Ronda ankomme. Und alles ohne Autobahn. Gemäss Google sind das 2400 Kilometer und 41 Stunden Fahrzeit.
Als ich mich heute morgen also frisch fröhlich auf meine Reise machen will, stelle ich fest, dass meine Navi-App auf dem iPhone einen ganz anderen Weg vorschlägt – auch mit deaktivierter Autobahn. Also zurück zum Laptop, die Strecke ausdrucken und ein paar Städtenamen notieren, damit ich diese dann in meinem Navi programmieren kann.
Der Start verläuft gut – es ist einfach extrem kalt. Und im Jura ist es noch kälter. Irgendwo lese ich auf einer Anzeigetafel 6 Grad – brrr. Kurz nach Mittag verlasse ich die Schweiz bei Le Locle. Die Strassen in Frankreich sind gut und wenig befahren – ich komme zügig voran. Aber irgendwie lässt mich das Gefühl nicht los, dass mein Google-Maps-Plan und meine Navi-App sich nicht einig sind. Macht nichts, ich folge einfach meinem Navi. Am Abend stelle ich dann fest, dass ich einen Umweg gemacht habe. Morgen werde ich im Navi nicht die schnellste Route ohne Autobahn programmieren, sondern die kürzeste Route. Ich bin jetzt schon gespannt…
Es ist sehr interessant, wenn man die kürzeste Route wählt. Man fährt mitten durchs Land auf kleinen und fast unbefahrenen Strassen. Der Weg führt mich durch ein Naturschutzgebiet und hinauf in ein Skigebiet. Dann wieder hinunter und über eine kleine Strasse in eine enge Schlucht. Am späteren Nachmittag führt mich das Navi in ein enges Tal. Am Ende des Tals geht es steil hinauf auf den 1589 Meter hohen Col du Pas de Peyrol.
Kurz vor meinem Tagesziel in Aurillac fährt mir ein Auto hinten in mein Motorrad, als ich vor einem Fussgängerstreifen anhalte. Da mein Kontrollschild zwischen Rad und Schutzblech eingeklemmt ist, kann ich nicht mehr weiter. Die Polizei, welche uns hilft das Unfallprotokoll auszufüllen, bietet einen Abschleppdienst auf, welcher mein Motorrad mitnimmt. Im Hotel angekommen, melde ich den Schaden bei der Versicherung an und wir vereinbaren, das weitere Vorgehen am nächsten Morgen zu besprechen.
Und dann fängt ein nervenaufreibendes Organisieren und Telefonieren an: mit der Versicherung und dem Abschleppdienst. Im ganzen Ort findet sich niemand, der meine Harley notdürftig reparieren kann, denn kein Töff-Mechaniker hat amerikanisches Werkzeug. Die einzige Lösung für die Versicherung ist, meinen Töff in die Schweiz rückführen zu lassen. DAS ist für mich aber KEINE Lösung, denn ich will ja genau in die andere Richtung fahren. Ich schlage meiner Schweizer Versicherung vor, anstatt die Harley in die Schweiz zu transportieren, sie doch einfach zur nächsten Harley-Werkstatt bringen zu lassen. Doch dazu ist meine Versicherung nicht bereit: das Prozesshandbuch schreibt etwas anderes vor. Und die ersten 1’000 Franken muss ich trotz Vollkasko erstmal selber übernehmen.
Dann kommt mir plötzlich eine Idee! Beim Kauf einer neuen Harley bekommt man für das erste Jahr automatisch die HOG Assistance. Ich habe zwar keinen Plan, was alles versichert ist und was die alles können. Aber vielleicht können die mir helfen, meine Harley in eine Harley-Werkstatt zu bringen… Ich rufe dort an – und tatsächlich, die HOG Assistance ist bereit, mir zu helfen. Sie klären mit der Harley-Vertretung in Toulouse ab, dass ich meine Softail dorthin bringen kann, und sie organisieren einen Transport dorthin. 😃
Mittlerweile ist es später Nachmittag und ich verbringe schon einige Stunden im «Wartezimmer» des Abschleppdienstes. Mir wurde gesagt, dass ich die Abschleppkosten zuerst bezahlen muss, bevor der Transporteur meine Harley aufladen kann. Gesagt – getan! Nach mehrmaligem Nachfragen beim Transporteur (erst etwas später werde ich dann herausfinden, dass es nicht der Transporteur ist, sondern das Call-Center der Versicherung, welche in Frankreich für die HOG Assistance arbeitet) und bei der HOG Assistance, wo der Transporteur denn bleibt – die um 13 Uhr angekündigten 30 Minuten sind seit 4 Stunden vorbei – erfahre ich, dass der Transporteur erst morgen kommt. 😬
Okay, ich finde mich mit der Situation ab: Morgen früh nach Toulouse, den Schaden kurz notdürftig reparieren, und dann kann ich wieder weiter fahren. So habe ich nur einen Tag verloren. Ich rufe also den Transporteur an und frage ihn, um welche Zeit ich morgen wo sein muss, denn ich muss ja irgendwie auch nach Toulouse kommen. Seine Antwort: «Morgen holen wir nur das Motorrad beim Abschleppdienst ab. Erst übermorgen fahren wir nach Toulouse.» Übermorgen ist Freitag. Am Freitagnachmittag repariert doch niemand mehr meine Harley. Dann ist Wochenende. Und Montag ist Ruhetag. WTF… ich verliere eine Woche! Und ich schaffe es gar nicht mehr rechtzeitig nach Málaga, um Martina vom Flughafen abzuholen! Jetzt gibt es nur noch eine Möglichkeit: ich suche selber jemanden, der mich und meine Harley nach Toulouse bringt.
Ich gehe zu meinem Abschlepper, erzähle ihm die Situation und frage ihn, ob er jemanden kennt, der mich morgen nach Toulouse bringen könnte. Er sieht mich an und sagt: «Ja klar, ich!» Perfekt! 😃 Operatives Problem gelöst. 😃 Jetzt nur noch das Finanzielle klären. Ich rufe die HOG Assistance an, erkläre dort alles und frage ganz freundlich an, ob sie die Kosten bei meinem Abschlepper auch übernehmen. Dort wird mir erklärt, dass der Französische Versicherungspartner seine Vertragsabschlepper hat und sie nur mit denen arbeiten dürfen.
Jetzt ist es Zeit, einen auf Weltuntergang zu machen und den Call-Center-Agent emotional so in meine Geschichte miteinzubeziehen, dass er gar nicht anders kann, als den Französischen Versicherer anzurufen und zu fragen, ob auch mein Abschlepper bezahlt wird. Und es klappt – nach einer halben Stunde bekomme ich die Bestätigung, dass es morgen los geht nach Toulouse. 😃 Postwendend bekommt mein Abschlepper ein Telefonat von seiner Konkurrenz – ich habe da wohl einen lokalen Kleinkrieg angezettelt…
Im zweiten Teil: Komme ich rechtzeitig in Toulouse an, und kann meine Harley repariert werden?
Hey Patric
Danke für den spannenden Reisebericht – ich freue mich schon auf Teil 2 und 3. Interessiert mich dann, wie Du Andorra erlebt hast.
Herzliche Grüsse und weiterhin einen schönen Aufenthalt,
Christoph und Familie
Woah, Nervenaufreibend! Ich fiebere richtiggehend mit, denn die Situation kenne ich nur zu gut – ich hatte sie diesen Sommer auch. Lange Reise geplant, dann Auffahrunfall auf der ersten Etappe. Ich hoffe, bei Dir ist alles gut gegangen.
Den Auffahrunfall habe ICH ohne Schaden überstanden 😃 Es gab halt einfach einen kräftigen Ruck von hinten. Zum Glück bin ich nicht umgefallen.
Wie es weitergeht, kannst du bald im Blog lesen 😉
Und wie ist es bei dir ausgegangen?
Harter Schlag von Hinten, Motorrad wurde in einen Kreisel geschubst und kam auf der Seite zu liegen. Mir ist zum Glück nichts passiert, aber die Sommerreise war gestorben, und am neuen (gebrauchten) Motorrad war heftiger Schaden entstanden… https://silencer137.com/2017/06/06/abgeschossen/
Das war und ist immer meine Traum. Einmal quer durch Spanien auf der Harley. Den Traum hat mir meine Mutter mitgegeben, die gebürtige Spanierin. Bis dahin wird aber noch einige Zeit vergehen, und ich noch die ein oder andere Fahrstunde nehmen