Die letzten Wochen waren wir sehr nervös. Der Grund: Unsere beiden Mütter haben sich für eine Woche Ferien bei uns angemeldet. Zumindest haben sie «Ferien» als offiziellen Grund für den Besuch angegeben. Wir vermuteten aber eher eine Inspektion…
Nein, selbstverständlich war es keine Inspektion! Unsere lieben Mamis wollten uns einfach mal wieder sehen. Viel zu lange ist es bereits her, seit wir das letzte Mal beisammen waren.
Eine unserer ersten Fragen an unsere Besucher ist immer, was sie hier gern sehen und erleben möchten. Die meisten sind dann etwa so planlos wie wir, als wir zum ersten Mal andalusischen Boden betraten. 🙂
Die unglaubliche Vielfalt und Schönheit der Natur hier ist vergleichsweise unbekannt. Während jeder den Grand Canyon oder Ayers Rock kennt, haben eher wenige schon einmal von der Sierra de Grazalema oder von Ronda gehört.
Trotz schweizerisch angehauchtem Wetter haben wir sehr abwechslungsreiche Tage zusammen verbracht und konnten unseren Müttern viele Einblicke in unsere neue Heimat geben.
Darum hier mal ein paar «Appetithäppchen» für euch: 🙂
Der erste Ausflug führte uns in die Umgebung der Sierra de las Nieves, nach Júzcar. Das ehemalige «Schlumpfdorf» ist ein Pueblo Blanco der besonderen Art. Genaugenommen ist es ein Pueblo Azul. Es ist nämlich komplett in himmelblau gehalten und vermittelt einem dadurch eine Art «Zuckerwatten-Feeling». Nach dem Verlust des Titels als offizielles Schlumpfdorfe im August 2017 hat sich Júzcar einen neuen, anderweitig bunten Anstrich verpasst und überrascht den Besucher nun mit Attraktionen wie der Seilbahn, Klettersteigen, Graffitis und wie schon zuvor: seinem unwiderstehlichen Zuckerwatten-Charme. Es sind auch noch immer einige der kunstvoll bemalten Fassaden mit Schlumpf-Sujets vorhanden.
Weiter ging die Fahrt dann nach Alpandeire, einem ebenfalls malerischen Pueblo Blanco. Dort haben wir uns ein herzhaftes Zmittag gegönnt und der kleinen Tapasbar wohl versehentlich den Tagesumsatz des Jahres generiert. Geplant war, von allen 7 Tapas je eins zu bestellen und diese dann unter uns aufzuteilen, wie man das hier ja allgemein macht. Durch ein Missverständnis (wir wollen ja niemandem bösen Vorsatz unterstellen 😉 ) wurden dann für jeden alle 7 Tapas serviert… Nur ich war als Vegetarier ausnahmsweise einmal fein raus. 😀
Auch wenn man mit Schlümpfen nichts am Hut hat, lohnt sich diese kurze Rundfahrt; man bekommt einen tollen Eindruck von der rauhen Gegend hier. Sehr zu empfehlen ist dieser Ausflug auch im Herbst, wenn die Kastanienwälder leuchtend gelb einen wundervollen Kontrast zum blauen Dorf und dem strahlenden Himmel bilden.
Der zweite Ausflug ist unser Besucher-Klassiker. Hier schicken wir alle hin, die ein kleines Best-of unserer näheren Umgebung sehen möchten. Und auch wir freuen uns immer, diese Strecke zu fahren. Die Mamis haben wir natürlich begleitet und dabei auch selber nochmals unerwartet viel Neues und Schönes kennengelernt in dieser Ecke…
Erstes Ziel waren die Ruinas de Acinipo. Auf den Weg zum vorherigen Stall sind wir unzählige Male daran vorbeigefahren, aber nie drin gewesen. Ein grosser Fehler, wie sich jetzt zeigt; der Ort ist faszinierend, zeitlos, still und einfach wunderschön! Dafür lohnt es sich echt, sich etwas Zeit zu nehmen! Was vom Parkplatz aus noch wie ein verlassenes Stück «Hauswand» anmutet ist von nahem betrachtet ein gut erhaltenes Amphitheater aus der Römerzeit und definitiv sehenswert. Wer sich für Ruinen nur bedingt begeistern kann, freut sich über den grandiosen Ausblick über weite Teile Andalusiens und die struppig-bunte Natur da oben.
Weiter ging es ins Höhlendorf, nach Setenil de las Bodegas. Es gehört zu den meistbesuchten Pueblos Blancos Andalusiens und ist entsprechend etwas touristisch. Aber es lohnt sich unbedingt, dies in Kauf zu nehmen. Setenil ist einfach bezaubernd und auf jeden Fall einen Besuch wert! Das Auto lässt man am besten im Parkhaus und begibt sich von dort aus zu Fuss ins Dorfzentrum. Nur schon der Weg dahin ist absolut sehenswert – versprochen.
Wir verliessen Setenil in Richtung Algodonales und fuhren nach Zahara de la Sierra. Bei genügend Zeit empfiehlt sich unbedingt auch ein Abstecher ins bildschöne Olvera. Leider waren wir etwas spät dran und steuerten daher direkt die Felsenstadt Zahara an. Hier waren wir zuletzt vor einigen Monaten und wussten vor allem noch eines: Wer mit dem Auto ganz nach oben möchte, braucht stählerne Nerven und eine gute Versicherung. 🙂
Daher parkten wir am Fusse des Dorfes und verdienten uns das Mittagessen mit einem Spaziergang ganz nach oben ins Ortszentrum am Fusse der Kirche. So brutal, wie es von unten wirkt, ist der Aufstieg eigentlich nicht. Es ist so steil, dass man vergleichsweise schnell ganz oben ist. Ich würde mich allerdings nicht darum reissen, in dem Städtchen täglich mehrmals mit meinem Hund Gassi gehen zu müssen. 😀
Aber der Kraftakt lohnt sich, man bekommt viele Impressionen dieses malerischen Ortes und hat von oben eine phantastische Rundsicht auf den Stausee und die Berge in der Umgebung.
Nach erfolgreicher Ziegen-Wiedervereinigung ging die Fahrt weiter nach Montecorto, wo an dem Wochenende ein Biker-Rock-Festival stattfand. Wie wir eintrafen, spielte gerade eine AC/DC-Coverband aus Málaga, deren kräftiger Sound die Mauern im kleinen Ort erzittern liess. Also rockten zwei von uns ein wenig, während die anderen beiden in einem Café Schutz für ihre lärmgeplagten Ohren suchten.
Via Montejaque und Benaoján – leider aus Zeitgründen beides ohne Stop – ging es zurück nach Ronda. Diese zusätzliche Ecke belohnt den Besucher mit einer bombastischen Natur. Gewaltige Felsen und riesige Weiden liegen auf der Felsbank in diesen Hügeln. Ebenso ein Stausee, der nur nach riesigen Regenmengen für kurze Zeit vorhanden und ansonsten meist als hübsches Tal zwischen den Bergen zu sehen ist. Eine völlig andere Welt, die uns immer auf’s neue beeindruckt und begeistert.
Das ist das Schöne an Andalusien: man verlässt ein Stätchen und fährt ein paar Minuten – und findet sich an einem absolut verlassenen und stillen Ort wieder, ohne an jeder Ecke über irgendwelche Zweibeiner zu stolpern.
Der dritte Ausflug führte uns ans Meer – an die Küste zum ganz grossen Wasser, dem Atlantik. Während die Mittelmeerküste vor allem zum Baden und Flanieren einlädt, ist die rauhere Atlantikküste eher etwas für Liebhaber von Natur, Wellen und endlosen Sandstränden. Wir fahren zwar öfters nach San Pedro oder Marbella, um einen Tag am Meer zu geniessen. Es ist in einer Autostunde erreichbar und ein schöner Kontrast zu unserem eher bergigen Zuhause hier in Ronda. Gerade auch in den Wintermonaten ist es wirklich nett, dort etwas Zeit zu verbringen. Selbst an nicht ganz so sonnigen Tagen hat die weitgehend verlassene Mittelmeerküste dann durchaus ihren Reiz.
Wer allerdings «richtiges» Meerfeeling geniessen möchte, nimmt eine zusätzliche Fahrstunde in Kauf und fährt statt südlich in Richtung Westen. Die Atlantikküste hat ihren ganz eigenen Charme und ist nicht so touristisch – oder nennen wir es «anders touristisch» – wie die Costa del Sol. Nachdem wir mit anderen Gästen jeweils Jerez de la Frontera und Cádiz besuchten, steuerten wir dieses Mal das bezaubernde Conil de la Frontera an. Der oft rauhe Atlantik war an diesem Tag türkisblau und mutete fast schon karibisch an. Die seidenfeinen, fast endlosen Sandstrände bei Conil sind ein Traum für Sonnenanbeter, Muschelsammler, Reiter und Surfer. Auch Fotografen kommen voll auf ihre Kosten. Steile rote Klippen, wunderschöne Bäume und Blumen sowie traumhafte Sonnenuntergänge sind hier Programm. Unseren Müttern hat es jedenfalls sehr gefallen. Und uns natürlich auch. 🙂
Natürlich haben unsere Mamis auch Ronda gründlich inspiziert, aber einen Stadtrundgang gibts für euch dann ein ander Mal.
Mit all diesen Ausflügen, den Besuchen und dem Ausreiten mit den Pferden, Stallwelpen-Verknuddeln sowie Katzen betüddeln und unzähligen fröhlichen Stunden bei Kochen und Schlemmen verging die Woche wie im Flug, und viel zu schnell war es für die Mamas bereits wieder Zeit, den Flughafen anzusteuern.
Wir vermissen unsere beiden Mütter jetzt schon – nein, nicht weil sie uns jeden Tag bekocht haben – sondern weil sie die besten Mamis der Welt sind!