Ganz vorn in den Top-ten-Fragen, die uns bei Schweiz-Besuchen (und auch von Besuch hier in Spanien) immer gestellt werden, ist diese: «Uuuuuuund… (Trommelwirbel) – wie läufts mit dem Spanisch?» Gute Frage! Und sehr berechtigt. Darum hier – zwar ungern, aber dafür ehrlich – mal einige Worte zu der Sache mit dem Español. Aber dafür ab jetzt keine Fragen mehr. Deal?
Eins vorweg: einfach ist es nicht gerade. Wir haben verschiedene Wege ausprobiert, dieser Sprache mächtig zu werden: Von Büchern, kindlichem Lernen mit Bildern und Nachlabbern am Computer über Verdrängen und auf ein Wunder hoffen bis zum «Bad in der Sprache» haben wir schon alles durch.
Das Lernen am Computer ist langweilig, anstrengend, komplett spassfrei und nervtötend! Er hört mich so schlecht – nicht mal ein simples «¡no!» kann er widerspruchslos hinnehmen. Ich frage mich: liegt das an der Hardware oder mag er mich einfach nicht? Irgendwann nimmt man es persönlich, und es trägt nicht unbedingt zu grossem Lerneifer bei. Erst wird während 4 Lektionen «Gracias» und «de nada» bis zum Umfallen geübt, um anschliessend in einer einzigen Lektion zwei Zeitformen plus Befehlsform meistern zu müssen… Für mich ein Ding der Unmöglichkeit – aber mit Ü40 ist man halt wirklich kein Kind mehr. Wahrscheinlich liegts daran.
Erstes Fazit: Ich bin kein Kind mehr. 🙂
So kam die zweite Methode zum Zug: Verdrängen und auf ein Wunder hoffen. Die macht deutlich mehr Spass und ist absolut stressfrei. Jedenfalls bis zu dem Moment, wo man einmal mehr in der spanischen Öffentlichkeit durch komplettes No-entiendo-nada glänzt.
Zweites Fazit: Wunder mögen vielleicht gelegentlich stattfinden, aber bei der Sache mit dem Español funktionieren sie nicht so richtig.
Ganz nebenbei läuft auch das Projekt «Bad in der Sprache», wie sich das so schön nennt. Da sind wir voll dabei! Täglich müht sich Juan, unser Stallbesitzer, geduldig mit uns ab und erklärt uns pferdische und andere Lebensansichten in breitestem Andaluz. Kürzlich hat uns eine befreundete (und gut spanisch sprechende) Britin verraten, dass Juan ihrer Meinung nach einen heftigen andalusischen Akzent hat und sie ihn nur schlecht versteht. – Alles klar! Dann liegt’s wohl daran, dass wir so oft auf dem Heimweg vom Stall rätseln, was Juan denn nun genau erzählt haben könnte… 😀
Wobei er für mich noch einer der Verständlichsten ist. Immerhin nuschelt er nicht so wie unser anderer Stallkollege, dessen Nuscheln noch intensiver wird mit jedem Glas Wein, das er trinkt. In einer fröhlichen Runde verstehen wir ihn nach spätestens einer halben Stunde komplett nicht mehr. Und genau zu dem Zeitpunkt fängt er meist so begeistert mit uns zu plaudern an und geht in einer Selbstverständlichkeit davon aus, dass wir auch tiptop folgen können – jedenfalls lassen unzählige «verdád» und seine vielsagenden Augen darauf schliessen. Also steuern wir jeweils grossspurig ein herzhaftes Lachen und breites «¡Síííííííííí – claro!» bei. Da fühlt man sich doch direkt ein wenig integriert.
Eine Knacknuss für sich ist auch unser Hufschmied. Er lispelt. Das intensivste und unverständlichste Spanisch-Lispeln, welches wir kennen. Mit ihm wird selbst ein bescheidener Dialog schon zur Herausforderung…
Der einzige Punkt, der mit Learning-by-Doing, alias «Bad in der Sprache» recht gut funktioniert, sind meine Unterrichtslektionen bei Juan. Spanisch Reitstunde – kann ich! Manche pferdisch-reiterliche Begriffe sind mir inzwischen so vertraut, dass ich mir eher überlegen muss, wie sie auf Deutsch eigentlich heissen. Aber das liegt vermutlich daran, dass ich auf Deutsch auch nicht sooooo die grosse Ahnung vom klassischen Reiten habe.
Drittes Fazit: «Bad in der Sprache» funktioniert – wie so vieles – nur wenns um Pferde geht. Oder so.
Weil der Leidensdruck mit jeder Schweiz-Reise (und all den lieb oder auch kritisch gemeinten Fragen zu der Sache mit dem Español) und jedem erneuten Versagen im Nahkontakt mit Einheimischen grösser wurde, musste also eine neue Lösung her: die Bücher.
Während Patric dem computergesteuerten Kinderlernen treu bleibt, hab ich nochmals bei Null angefangen und bin mit einem kombinierten Lehrmittel aus Büchern/Audio/Video/Onlinetests eingestiegen. Und das fägt! Jetzt macht’s zumindest endlich Spass. Und mit etwas Glück bleibt auch ein bisschen was im Oberstübchen hängen.
Zu kämpfen haben wir zurzeit vor allem mit den vielen ähnlichen Wörtern wie «llegar», «llevar», «llover», etc., sowie deren Konjugationen. Wer behauptet, Deutsch sei schwer, hat sich noch nie mit Spanisch gequält.
Beispiel gefällig?
Damit sich der geneigte Leser damit auch identifizieren kann, haben wir für euch den Regen gewählt. 😀
Eine echte Knacknuss! Aber wir brauchen es zum Glück ja nur selten.
Starten wir einfach: la lluvia = der Regen
Wenn der passiert, heisst das: llueve = es regnet
(der Infinitiv dazu ist nun aber llover – alles klar soweit?)
Und wenn das – wie vielleicht bei euch heute – jetzt gerade stattfindet, sagen sie: está lloviendo
Wer mag, darf sich auch gern in der Aussprache versuchen – doppeltes «l» wird wie unser «j» gesprochen. Dann werden die Regenwörtchen doch gleich noch spassiger, stimmts? Für allfällige unwiderruflich verknotete Zungen und bleibende Schäden lehnen wir jede Haftung ab.
Als ob das alles nicht verwirrend genug wäre, haben sie unzählige interessante Zeitformen, sehr verdrehte Befehlsformen, Millionen Akzente und dazu eine Zeichensetzung, welche einem leidenschaftlichen Polygrafen Tränen in die Augen treibt… (und das Spanisch-Schreiben an der Tastatur zu einer nervtötenden Geduldsprobe werden lässt)
¿Wer um alles in der Welt braucht ein verdrehtes Fragezeichen am Satzanfang?
Oder noch schlimmer: ¡Das verdrehte Ausrufezeichen, wenns wichtig wird!
Was durchaus auch mitten im Satz passieren kann: «Hola, ¿qué tal?»
Wie man sieht, ist noch ein wenig Raum nach oben offen. 😀
Wir arbeiten daran. Bis dahin üben wir fleissig danebst auch noch Englisch und Französisch, halten Hochdeutsch mit krassem Schweizer Akzent am Leben und werden langsam zu Meistern in «No-entiendo-nada»-aber-ech-tue-mol-so-als-ob.
Die wichtigsten Vokabeln dazu sitzen felsenfest:
«Madre mía»
«Sí, claro!»
«también»
«vale»
– und vor allem: viel und gewinnend Lachen.
Dann merken sie es nicht so. Und wir können nachher im Auto wieder rätselraten.
Spanisch zu lernen ist gar nicht so einfach. Doch hat man die Basics einmal geschafft, geht es schon. Die Spanier sind jedenfalls sehr geduldig und freuen sich, wenn man ein paar Wörter spanisch kann.